In den letzten Jahren ist vielmals die Rede von der Führungskraft als Coach. Neben bedeutenden Unterschieden zwischen beiden Rollen, kann sich Führung auch inspirieren lassen aus einer coachenden Haltung heraus.
Wem dient die eigene Rolle?
Eine Unternehmerin aus der Gesundheitsbranche mit einigen Mitarbeitenden berichtet mir im Coaching von ihren Jahresgesprächen. Die letzten Coachingeinheiten waren bestimmt von Themen wie „Umgang mit einzelnen Mitarbeitenden“ und „Räume für Mitarbeitende schaffen“.
Aus meiner Coach-Rolle nehme ich sie als eine Führungskraft wahr, die an der Entwicklung ihrer Mitarbeitenden interessiert ist. Gehälter waren auch Teil der Gesprächsreihe. Nun erzählt sie, dass durch Gehaltsverhandlungen vieles, was sie sich vorher an Beziehung zu ihren Mitarbeitenden erarbeitet hat, wieder verloren geht. So beschreibt sie zumindest ihre gefühlte Wahrnehmung.
Ich greife dieses Beispiel heraus, weil hier eine wichtige Unterscheidung deutlich wird. Ich meine die, welchem übergeordneten Interesse die eigene Rolle dient. Als externer Coach einer Fachkraft kann das Thema eines Coachings gut und gerne sein, welchen monetären Wert man der eigenen Arbeit zumessen mag.
Als Führungskraft mittendrin
Als Führungskraft kann man genauso an seiner Vorstellung von adäquater Entlohnung und dem Umgang damit arbeiten, auch mit Mitarbeitenden gemeinsam. Vielleicht treffen sich in einem solchen Prozess sogar die Vorstellungen von Fach- und Führungskraft – ein wunderbares Match, oder? Wo jedoch als Coach die Verantwortung in der Begleitung aufhört, nämlich spätestens im Verhandlungsgespräch, ist die Führungskraft immer noch mittendrin und muss irgendwann Position beziehen.
Ich erinnere, dass ich früher als Führungskraft bei einem Mittelständler, ohne Tarifbindung und klärende Kompetenzprofile, vor den Jahresgesprächen einen monetären Entwicklungsrahmen für meine Mitarbeitenden mit meiner Führungskraft ausgehandelt habe. Den Rahmen galt es dann in den Gesprächen mit den Mitarbeitenden bestenfalls „zu treffen“.
Wenn nicht, war das Jahresgespräch zwar inhaltlich abgeschlossen, aber die Einigung hinsichtlich des Gehaltes zog sich hinaus. Das hat immer auf die Beziehung eingewirkt. Jedenfalls gehörte es zu meinen Aufgaben als Führungskraft, eine bestimmte Position im Sinne des Unternehmens zu vertreten. Die war nicht automatisch meine eigene, aber eben auch nicht zwingend die des Mitarbeitenden. In unserem Beispiel vertritt auch die Coachee als Unternehmerin eine gewisse Position, weil sie andere Dinge im Blick behalten muss als eine Fachkraft.
Eine coachende Haltung kann Entwicklung fördern
Aus meiner Erfahrung kann eine Führungskraft mit einer coachenden Haltung auftreten. Wo diese coachende Haltung zum Tragen kommt, hängt vom Gestaltungsspielraum der Führungskraft ab und der Organisationskultur. Davon, welche Spielräume die Organisation der Führungskraft zugesteht. Davon, wie die Führungskraft ihre Spielräume ausfüllt.
Es kann herausfordernd sein für komplexe Gemengelagen eine stimmige Haltung zu erarbeiten. Eine solche Haltung ist aber hilfreich und kann Führung nachhaltig verändern.
Stellen Sie sich Fragen, wie im Rahmen…
…der Beziehungsgestaltung – z.B. wie sind Sie gutem Kontakt mit allen, aber jeweils unterschiedlichen Charakteren Ihres Teams?
… des eigenen Auftretens – z.B. wie viel (oder wenig) Präsenz von Ihnen braucht es in der jeweiligen Führungssituation?
…der verwendeten Methoden – z.B. welche Möglichkeiten haben Sie zur Moderation inhaltlicher Prozesse?
…des Organisations-Systems – z.B. wo können Synergien für Entwicklungen innerhalb des eigenen Teams mit anderen Prozessen innerhalb (oder außerhalb) der Organisation bestehen?
In unserem Beispiel beschreibt die Unternehmerin, dass die Auseinandersetzung in ihrem beruflichen Alltag mit Mitarbeitenden, mit sich selbst und ihrem Anspruch an eine adäquate Entlohnung, die Begleitung im Coaching ihr geholfen haben, ihren Standpunkt zu verändern. Sie beschreibt die Beziehung zu ihren Mitarbeitenden nun als Arbeitsbeziehung. In diese ist das Gehaltsthema eingeschlossen. Ihr Selbstgefühl ist stimmig. Die Resonanz von Mitarbeitenden ist nicht ausschließlich positiv, aber sie kann dem gut begegnen.
Führungskräfte sind bedeutsam
Zu guter Letzt: Führungskräfte haben Bedeutung egal ob als Unternehmerin oder im Management einer größeren Organisation. Ich mag hier folgendes Zitat aus einer Studie anbringen, die sich mit den Auswirkungen der Pandemie auf Führungsverhalten auseinandergesetzt hat.
Führungskräfte haben eine „wesentliche Schnittstellen- und Integrationsfunktion […] im Arbeitsalltag der Mitarbeitenden. Sie sind das Gesicht der Organisation, sie entscheiden einen guten Teil über das alltägliche Arbeitserleben und die Möglichkeiten des Einzelnen, sich einzubringen und zu entwickeln.“
Insofern sind Führungskräfte mit einer coachenden Haltung ein Gewinn für jede Organisation, meinen Sie nicht auch?
Bleiben Sie wissbegierig
Ihr Felix Pritschow