Meine Entspannungszeit mit Vinyl und Plattenspieler
Vielleicht kennen Sie das auch: Nach einem vollen Tag im Büro komme ich nach Hause und stehe noch völlig unter dem Eindruck des Tages. Viele Gesprächsfetzen, bildhafte Erinnerungen und Gefühle sind präsent, meine Synapsen funken. Es scheint so, als hätte man mehrere Luftballone in einem kugelrunden Gefäß losgelassen und alle sausen wild durcheinander. Nur geht ihnen die Luft nicht oder nur sehr langsam aus. Als ich mich auf mein Sofa setze, berührt meine Hand unter einem Kissen eine Platte, die dort schon ein paar Tage liegt. Glücklicherweise habe ich mich nicht darauf gesetzt, so gedankenverloren wie ich mich gerade fühle.
In einer Zeit, in der wir mit mehr Informationen und äußeren Eindrücken konfrontiert sind, als wir bewusst aufnehmen können, kommt der persönlichen Entspannung eine noch größere Bedeutung zu als sie ohnehin schon hat. Jeder, der körperlichen Sport treibt, weiß: Ohne adäquate Regenerationszeiten kann der Körper keine Leistung abrufen. Trainingswissenschaftler sprechen von “aktiver Erholung“ und meinen damit, zwischen Zeiten hoher körperlicher Beanspruchung solche mit geringer Intensität einzulegen. Vielleicht sogar die Bewegungsart zu wechseln, damit nicht ständig dieselben Körperpartien und Muskelgruppen belastet sind.
Erholung ist auch für „Gehirnarbeitende“ wichtig
Nun ist dieses Prinzip auf „Gehirnarbeitende“ nicht eins zu eins übertragbar. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, wie wir uns selbst in andere Gedankensphären führen können. Aus meiner Erfahrung helfen unterschiedlichen Menschen auch verschiedene Dinge, ich persönlich gehe in zwei Schritten vor. Der erste betrifft das bewusste Sortieren meiner Eindrücke. Das kann in einem Gespräch mit einer vertrauten Person geschehen, der ich das Erlebte erzähle. Durch die sprachliche Aufbereitung meiner vielfältigen Eindrücke geschieht beinahe automatisch die gewünschte Sortierung.
Auch wenn es eine wirklich anspruchsvolle Aufgabe sein kann, vielfältige und auch parallel entstandene Eindrücke verständlich dem Gegenüber zu erzählen. Denn Sprache folgt ja einem linearen Aufbau, unser Erleben nicht. Oder aber ich nehme mir alleine Zeit dafür und sortiere mit Stift und Papier oder auf einem schlendernden Spaziergang im Gespräch mit mir selbst. Das alles dient mir dazu, meine Luftballone einzufangen, sie zu bunten Bündeln zu schnüren und ihnen einen festen Platz zuzuweisen oder sie gar loszulassen und in den blauen Himmel zu schicken. Wichtig ist dabei, dass dieser Prozess bewusst geschieht. Und je nach Bedeutung und Komplexität des Themas kann das auch im Rahmen eines Coachings geschehen.
Und dann kommt der zweite, noch schönere Teil. Ich halte das Plattencover schräg, die Platte läuft mir in die Hand. Persönlich mag ich ganz unterschiedliche Musik. Rock, Pop, Klassik je nachdem. Wenn noch Energie drin steckt, die raus will, dann kann es gerne etwas Intensives, Gitarrenlastiges sein. Oder auch Klavier und Streicher – Klänge, auf denen die Gedanken davon schweben. Diesmal sind es Klavierkonzerte.
Vinyl wünscht sich deine kleinen Entscheidungen
Am liebsten mag ich Platte. Der Sound klingt einfach anders. Das Gefühl eine Platte in der Hand zu halten. Und auch, weil die Nadel behutsam in die richtige Rille gesetzt werden will, um einen speziellen Song zu hören. Da muss man noch zählen. Bei einer Platte gibt es kein Repeat. Der Plattenspieler wünscht sich Interaktion und kleine Entscheidungen. Wie zum Beispiel, nochmal dieselbe Seite mit nur einem Tastendruck? Oder die Seite mit etwas mehr Aufwand umdrehen? Gar die Platte und damit vielleicht die Richtung wechseln? Was macht andere Musik mit meiner aktuellen Stimmung?
In mir tragen diese vermeintlichen Kleinigkeiten dazu bei, dass sich diese Art Musik zu hören mehr im Vordergrund meiner Wahrnehmung abspielt. Und während ich dann der Musik nachspüre, dürfen auch die letzten Luftballone am richtigen Platz zur Ruhe kommen. Meine ganz persönliche Entspannungszeit mit Vinyl und Plattenspieler tritt ein.
- Und was funktioniert bei Ihnen gut, damit Sie in Ihre Entspannung kommen? Lassen Sie gerne einen Kommentar hier.
Erholsame Grüße wünscht
Felix Pritschow